dynamik_blau_oben

Vom Klugscheißer zum Moderator

Initiative wieder willen

Das Unternehmen, in dem wir Markus kennen lernten, war inmitten einer ausgewachsenen Krise. Die Mutterfirma hatte uns gerufen, um eine Lean Initiative zu starten, was der Standortleitung ganz und gar mißfiel. Der Posten des Geschäftsführers war zu diesem Zeitpunkt vakant, die eingesetzte Interimsführung unterstützte jedoch die Initiative. So benannte die Standortleitung mit moderatem Enthusiasmus ein Team, dessen Mitglied neben vier anderen auch Markus war.

Hoffnung und Ernüchterung

„Was war ich gespannt auf diesen ersten Termin mit Penta-Plan, der der Auftakt zu unserer Lean Initiative war. Endlich würde ich das Wissen, das ich im Laufe meiner Tätigkeit als Assistent der Herstellung hatte sammeln können, zum Besten geben – und vielleicht so auch die Standortleitung überzeugen können, dass ich ein hervorragender stellvertretender Leiter der Herstellung sein würde, trotz der Tatsache, dass ich Pharmakant und kein Pharmazeut bin. Auch die Kollegen würden erkennen, welch großen Sachverstand ich besitze. Zudem war für mich klar, dass diese Initiative neben der Möglichkeiten für das Unternehmen auch die Chance für eine persönliche Qualifikation in Sachen Lean in sich barg.“
Tatsächlich sah die Sache etwas anders aus. Schon während einer Wertstromanalyse, die wir auch hier als Einstieg für einen Gesamtüberblick nutzten, wurde klar, dass Harmonie nicht die vorherrschende Schwingung und Akzeptanz von Markus nicht der vorherrschende Haltung der anderen Teammitglieder war.
„Komisch. Egal welche Idee ich hatte, welchen Vorschlag ich machte, schon alleine die Tatsache, dass er von mir kam, veranlasste meine Kollegen, ihn zu attackieren. Und ausreden ließen sie mich auch nicht immer, was ich nicht verstand, Wollte ich doch einfach meine Gedanken gründlich erörtern – wie sollten sie sonst verstehen, welche Lösung ich bereits im Kopf hatte? Nachdem ich in einer Besprechung in meiner Wahrnehmung besonders rüde von den Kollegen behandelt worden war, sprach ich Kerstin und Andreas darauf an. Ihre Reaktion war für mich damals erstaunlich, denn sie schienen das vollkommen nachvollziehen zu können. Nach einigen persönlichen Gesprächen verstand ich, wie ich auf das Team und die Mitarbeiter wirken musste, wenn ich fast schon dozierend vor allem von meinen Ideen sprach. Kerstin gab mir wichtige Hinweise darauf, wie meine Art wahrgenommen wurde: besserwisserisch und altklug, andere Meinungen mehr oder weniger ignorierend.“

Learning by doing

Mittlerweile hatten wir erste Projekte aus den Ergebnissen der Wertstromanalyse generiert und führten in der Produktion Visuelles Management mit einem Board gegen den mehr oder weniger unverhohlen gezeigten Widerstand der Produktionsmannschaft. Nach einer Gewöhnungsphase von ein paar Wochen wurde für das Produktionsboard eine tägliche moderierte Besprechung angesetzt. Zuerst übernahm Andreas bei Moderation, um sie dann an Markus abzugeben, der sich mittlerweile sehr viel Mühe gab, nicht nur seine eigene Wahrheit gelten zu lassen. Ein 5S-Projekt unter seiner Leitung zeigte erste kleine Erfolge und der Zuspruch der Mitarbeiter nahm zu.
„Die tägliche Moderation des Visuellen Managementboards ließ mich stetig mehr darauf achten, die anderen Mitarbeiter mehr zu Wort kommen zu lassen, deren Ideen aufzugreifen und mich etwas zurück zu nehmen. Das war gerade am Board recht einfach, da die Informationen im Vordergrund standen und ich durch vereinbarte Boardregeln immer wieder steuernd eingreifen konnte, ohne das die anderen mir das schlecht auslegten. Die moderierten Boardrunden führten dann auch tatsächlich zu einem besseren Prozessfluss in der Produktion, da jeder Mitarbeiter leicht verstehen konnte, wo wir aktuell standen, wie die Auftragslage war und was als nächstes an den einzelnen Anlagen anstand.“

Nach der Verbesserung ist vor der Verbesserung

Nach diesen ersten Erfolgen starteten wir weitere Projekte, die Stimmung im Team wurde immer besser, vor allem da, wir durch die ersten gemeinsamen Erfolge nun auch etwas vorzuweisen hatten. So führten wir mit wachsender Unterstützung der Mitarbeiter Verbesserungsprojekte durch, die vor allem die tägliche Arbeitssituation vieler veränderten – kürzere Wege und weniger suchen im einen, leichtere Abläufe und eine bessere Organisation im anderen.
Die ersten vier Monate der Initiative waren vergangen und tatsächlich schrieb das Unternehmen erstmalig wieder schwarze Zahlen, die Produktionsrückstände waren deutlich zurückgegangen. Das Ende der Krise war erreicht.
„Mittlerweile fühlte ich mich in meiner Rolle als Moderator sehr wohl und ich nahm wahr, dass die Kollegen mich unterstützen und die Zusammenarbeit im Team vertrauensvoll und so ganz anders als zu Beginn war. Doch es war nicht alles eitel Sonnenschein. Die Interimsführung war inzwischen durch einen Geschäftsführer ersetzt worden, und dessen Fokus lag auf Umsatz, Umsatz, Umsatz. Das Verständnis für unsere Initiative war nur vordergründig, gegenüber Andreas und Kerstin, den Erfolgsmoderatoren, gab es häufig Lippenbekenntnisse hinsichtlich Zeit und Verfügbarkeit von Mitarbeitern, um die Projekte voranzutreiben. Im Tagesgeschäft und vor allem gegen Monatsende waren diese Zusagen dann schnell vergessen und das Tagesgeschäft ging vor.“
Markus hatte zu dieser Zeit schon sehr viel mehr als nur die Moderation der Boardrunden übernommen. Er meisterte auch immer besser die Herausforderung, in dieser Initiative das gemeinsame Ziel im Fokus zu halten und die Mitarbeiter dafür zu begeistern, die Projekte fortzuführen. Keine leichte Aufgabe, da die Zeit, die die Projekte benötigten, quasi nicht vorhanden war, jeder musste sich diese Zeit selbst neben seinen vielen Routineaufgaben schaffen. So war es dem Engagement von Markus, der Teammitglieder und der Mitarbeiter zu verdanken, dass Maßnahmen umgesetzt wurden.

Organisationswandel ist auch immer Persönlichkeitswandel

„Dem Klugscheißer, der ich einmal war, hatte ich Lebewohl gesagt. Gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen Dinge umzusetzen empfand ich als so viel gewinnbringender als meine einstige Überzeugung, die einzig selig machende Lösung eines Problems zu kennen. Ich konnte neben erfolgreichen Projekten wie das Board, 5S in mehreren Bereichen und ein Rüstoptimierungsprojekt auch auf eine echte persönliche Weiterentwicklung blicken: Mein Bewusstsein für meine eigene Wirkung in der Zusammenarbeit mit anderen ist deutlich gestiegen und in der Kommunikation mit anderen habe ich gelernt, wie ich durch das Einnehmen anderer Perspektiven und das Verständnis anderer besser zum Ziel komme. Direktes Feedback von Andreas und Kerstin vor allem in stressbelasteten Situationen, wo mir flexibles Agieren immer noch schwer fiel, half mir dabei, meine ausgetretenen Reaktionspfade zu verlassen und immer neue Wege zu beschreiten. Nach weiteren eineinhalb Jahren mit einigem Auf und Ab war ich jedoch des Widerstands der Führung überdrüssig und bewarb mich bei einem anderen Unternehmen, wo ich nicht zuletzt dank meiner Erfahrung und meiner Projektergebnisse eine Stelle fand, an der ich sehr vieles aus der Arbeit mit Andreas und Kerstin anwenden kann. So vermittle ich heute selbst Aspekte aus dem Baukasten des Lean Management, und auch ohne große Initiative setzen wir viele kleinere Projekte in einer guten Struktur um. Einige Methoden sind mir besonders in Fleisch und Blut übergegangen, zum Beispiel der SIPIOC zur schnellen Prozessübersicht. 5S ist immer noch meine Lieblingsmethode, da 5S einfach ist, schnell wirkt und die Mitarbeiter genau diese Wirkung sehr schnell spüren. Ich bin Kerstin und Andreas sehr dankbar für die intensiven und spannenden zwei Jahre unserer Initiative, die Methoden, die Strategien, die Feedbacks, die Gespräche. Der größte Gewinn dieser zwei Jahre ist jedoch, dass ich mit der Hilfe der beiden vom Klugscheißer zum Moderator wurde.“

INHALT

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Download

Mit Eintrag deines Names und Deiner Mailadresse bekommst du den Downloadlink zugeschickt