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Case Study „Megalabs“ in Uruguay

Megalabs

ist eine Unternehmensgruppe mit mehreren Standorten in Südamerika, der technologisch modernste und kapazitiv größte davon in Montevideo mit ca. 160 Mitarbeitern. Die Gruppe produziert klassische Arzneimittel (sterile und nicht sterile Darreichungsformen) sowie Wirkstoffkosmetik für den gesamten südamerikanischen Markt. Dieser Markt ist geprägt von einer gewissen wirtschaftlichen Instabilität und schwankender Nachfrage. Das wiederum birgt eine Herausforderung vor allem für die Produktionsplanung und die Produktion selbst, müssen sie doch schnell auf sich ändernde Bestellungen reagieren können. Der damit verbundene Aufwand ist in einer regulierten Industrie wie der pharmazeutischen generell hoch, bei Megalabs war er exorbitant. Da das Unternehmen auf Expansionskurs ist und eine Vervielfachung der Produktionsaufträge erwartet, war das Ziel unseres Auftrag klar: Durchlaufzeiten und Aufwand für die Arzneimittelherstellung müssen drastisch verringert werden, vom Eingang der Materialien bis zur Freigabe und Versand der Produkte.

Die Schweiz Südamerikas

Als zusätzliches Schmankerl des Auftrags ist der geographische Standort zu nennen. Uruguay ist ein kleines, sehr feines und für südamerikanische Verhältnisse wohlhabendes Land. Aufgrund seiner Größe gibt es jedoch nur einen nennenswerten internationalen Flughafen und relativ reduzierte Frachtverbindungen. Über 90 % der Materialien müssen importiert werden, da Urugay nur eines im Überfluss (und das richtig gut) produziert: Rindfleisch!

Die erste logistische Herausforderung ist somit bekannt, es gibt für Megalabs noch eine zweite: Das Unternehnen ist in einer Zona Franca, einer Freihandelszone, angesiedelt. Das bedeutet für sämtliche Zulieferungen zusätzlichen Aufwand durch Zollformalitäten, was wiederum die Lieferzeiten beeinflusst. Doch zurück zur eigentlichen Aufgabe. Nein, halt, es gab noch eine Besonderheit: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Megalabs sprechen – SPANISCH! Die Führungsriege spricht Englisch, that’s it! Doch wenn’s einfach wäre, bräuchte es uns nicht – challenge accepted – und jetzt zurück zur eigentlichen Aufgabe.

Die Gretchenfrage mal anders

Mit derartigen Fragestellungen – wie können wir Durchlaufzeiten und Aufwand reduzueren – sind wir häufig konfrontiert. Wir haben für solche Fälle eine erprobte Vorgehensweise: Den Auftakt macht eine Wertstromanalyse (WSA), um zum einen ein umfassendes Bild von den Prozessen, Schnittstellen und Organisationseinheiten im Unternehmen zu erhalten und zum anderen reichlich Informationen zu sammeln, wie es denn an den einzelnen Stellen so läuft.

So gingen wir auch hier vor. Vor dem Start der WSA galt es noch, ein Team an MitarbeiterInnEn aus unterschiedlichen Abteilungen zu trainieren, das heißt mit den Grundprinzipien von „Arbeiten im Fluß“, wichtigen Verschwendungsarten und der Einholung von Informationen vertraut zu machen. Danach wurden Termine  vereinbart, denn ein zentrales Element der WSA ist die Vor-Ort-Befragung der dort Tätigen. Die Erfahrung lehrt: Nirgends bekommen wir ein klareres Bild von den tatsächlichen Begebenheiten, Hindernissen und Besonderheiten (wir nennen das übrigens Potentiale) als direkt dort, wo die Arbeit passiert. Die Interviews werden vorzugsweise von den KollegInnEn, dem WSA-Team, durchgeführt. Das hat mehrfachen Charme: Das Team lernt, wie Informationen und Daten strukturiert aufgenommen werden. Das Team lernt das Unternehmen auf eine ganz andere Art und Weise kennen. Der wahrscheinlich wichtigste Punkt jedoch ist das Verständnis, dass die InterviewerInnen von Vorgängen im Unternehmen bekommen. Das gegenseitige Verständnis von und für Schnittstellenbeteiligte, das dann entsteht, wenn Hintergründe für bestimmte Vorgehensweisen nachvollziehbar werden.

Gut zu wissen

Für diejenigen, die bisher eher weniger mit einer Arzneimittelproduktion in Berührung kamen, nachfolgend der grobe Lauf der Dinge, bevor wir wieder nach Montevideo zurückkehren:
Produktionsmaterial wird vor Einsatz geprüft und freigegeben. Produktionsdokumentation wird erstellt und ebenfalls geprüft und freigegeben. Die Produktion selbst läuft in zwei groben Phasen ab: Im ersten Schritt wird das Bulkmaterial, z.B. Tabletten, hergestellt. Im zweiten Schritt wird das Bulkmaterial verpackt. Die beiden Schritte können, müssen aber nicht in unmittelbarer Abfolge erfolgen. Während der Produktion werden an unterschiedlichen Stellen Muster gezogen und auf Einhaltung der Spezifikationen untersucht. Vor der Freigabe der Arzneimittel werden Endmuster geprüft und freigegeben, ebenso wird der Lauf der Produktion anhand von Dokumenten geprüft. Sobald alle erforderlichen Prüfergebnisse vorliegen, wird die Ware freigegeben und kann auf den Markt gebracht werden.

Die Wertstromanalyse

Eine WSA beginnt klassisch am Ende des zu betrachtenden Prozesses. So auch hier. Vom Beim Lager beginnend arbeiteten wir uns am Prozessfluss entlang, führten Interviews in den produzierenden und unterstützenden Abteilungen und mit jedem Tag wurde das Bild klarer: Aus technologischer Sicht befanden wir uns in einem der modernsten Werke, dass wir im Laufe unsere Selbstständigkeit gesehen hatten. Die Produktion selbst bot sicherlich den einen oder anderen Ansatzpunkt für Veränderungen mit niedriger bis mittlerer Auswirkung auf die Zielparameter , doch die „dicken Fische“ schwammen woanders. In welchem Teich wir fischen würden, bildete sich jedoch bereits mehr als deutlich während der Informationsaufnahme ab.

Der dicke Fisch

Folgende Aussagen tauchten in jeder befragten Abteilung beim Thema „Stolperfallen“ (= Potentiale) zuverlässig auf: massenhaft e-Mails, Telefonate und häufige kurzfristige Umplanung, teilweise nur Stunden vor dem geplanten Produktionstermin.

Die Produktion läuft in zwei groben Phasen ab: Im ersten Schritt wird das Bulkmaterial, z.B. Tabletten, hergestellt. Im zweiten Schritt wird das Bulkmaterial verpackt. Die beiden Schritte können, müssen aber nicht in unmittelbarer Abfolge erfolgen.

Die Umplanung war aus verschiedenen Gründen erforderlich: Material nicht verfügbar, da entweder nicht im Haus oder noch nicht durch die Qualitätskontrolle freigegeben. Produktionsdokumente nicht fertiggestellt. Maschinenteile nicht verfügbar; dies machte sich vor allem in der Verpackung bemerkbar. Probleme technischer Natur, sei es an den Produktionsanlagen selbst oder bei der Verarbeitung von Materialien. Last but not least: Sportliche Versprechen der Verkäufer, die einem Kunden sofortige Produktion ungeachtet des bereits aufgestellten Produktionsplanes zusagten.

Damit die Produktion aufrecht erhalten werden kann, waren unglaublich viele Menschen täglich damit beschäftigt, Material, Dokumenten und Information hinterher zu jagen.

Neben den Informationen, die aus den Interviews gewonnen wurden, nahmen wir Daten aus den Produktionsdokumenten und werteten diese vor allem auf den Parameter Durchlaufzeit aus. Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, wurde ein repräsentatives Produkt gewählt und die Dokumente von 75 Chargen ausgewertet. Die Gesamt-Durchlaufzeit ergab ein Mittel von ca. 74 Tagen mit einer Streuung von xxx Tagen. Wirklich interessant war jedoch die Prozessstreuung der einzelnen Schritte, die teilweise xxx % betrug.  Mit einer derartigen Streuung alleine ist eine stabile und verlässliche Planung der Produktion und ihrer einzelnen Stationen nahezu ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Planung ist’s (mal wieder)

All diese Punkte zusammen ergaben ein relativ eindeutiges Bild: Instabile Produktionsplanung. Die Konsequenzen einer instabilen Planung, sprich einer arbeitstäglichen Anpassung des Produktionsplanes, sind weitreichend. Angefangen bei der ständig neu zu priorisierenden Materialfreigabe und dem logistischen Aufwand der Materialbereitstellung über die Umrüstung von Produktionsanlagen, Freigabeanalytik, Abweichungsbearbeitung zur Dokumenten- und Chargenfreigabe sind alle Instanzen von einer häufigen Umplanung betroffen. Die Auswirkungen werden umso dramatischer, umso näher das geplante Produktionsdatum rückt.

Die Planung. Ach ja. Gestatten wir uns an der Stelle einen kleinen Exkurs. Wir arbeiten seit vielen Jahren mit pharmazeutischen Herstellern zusammen. In Europa, Nord- und Südamerika. Das erstaunliche ist: Egal auf welchem Kontinent wir uns befinden, die grundliegenden Nöte und Sorgen sind sehr ähnlich. Das mag daran liegen, dass die meisten Unternehmen in vertikal in Abteilungen organisiert sind und die Schnittstellenprozesse, zu denen eine Produktionsplanung definitv gehört, entweder „historisch gewachsen“, nicht den Prozessanforderungen angepasst, schlecht aufeinander abgestimmt oder im ungeschicktesten Fall nur teilweise bekannt sind. Wie häufig haben wir schon im Rahmen von WSAs ein erstauntes „Ach was! Das wussten wir gar nicht“ gehört, und das „Das“ kann so gut wie alles sein.

Auch bei dieser WSA wurden die meisten Potentiale im Bereich der Planung genannt. Die bisherhige Planung beinhaltete mehrfach am Tag eMails vom Produktionsplaner an bis zu 60 KollegInnEn (das ist mehr als ein Drittel der Belegschaft!), begleitet von zig Telefonanrufen und unzähligen Excel-Files mit teilweise redundanten und widersprüchlichen Informationen. Diese Files wurden  an ebenso vielen Stellen in noch mehr Versionen gepflegt, aktualisiert, dupliziert, weitergeleitet, abgelegt. Dazu kamen bis zu 10 Routinebesprechungen wöchentlich mit bis zu 15 Teilnehmern. Es ist unschwer, sich den zeitlichen Aufwand in Summe vorzustellen.

Single point of truth?!

Den größten Negativeffekt erzeugt jedoch die zwangsläufig uneinheitliche Informationslage bei den beteiligten Instanzen. Man stelle sich vor: Ein Planungsfile, täglich an fast 70 Adressaten gesandt, von der Hälfte mehr oder weniger ignoriert, von der anderen Hälfte nach eigener Interpretation weiterbearbeitet und daraus resultierende Änderungen auf individuelle Art und Weise weiterverbreitet – der Klassiker. Verbunden mit unklaren Verantwortlichkeiten und Aufgabenverteilungen (nein, diese ergeben sich ungeachtet des festen Glaubens von Chefs und Personalabteilungen nicht automatisch aus oftmals sehr allgemein formulierten Stellenbeschreibungen) ist der Boden für einen extrem hohen Aufwand mit fragwürdigem Nutzen solide bereitet.

Visualisierung ist die Antwort

Ebenso erprobt wie die WSA als Auftakt ist der nächste Schritt: Die Visualisierung des Prozesses.

Warum Visualisierung? Der erste Schritt zur Verbesserung einer Situation (in diesem Fall die Planungssituation) ist die Erzeugung von Transparenz. Es ist wichtig, dass der gesamte Prozess in seinen einzelnen Etappen dargestellt wird, damit alle Beteiligten diesen wortwörtlich vor Augen haben. Es ist wichtig, dass der Prozess begreifbar wird,

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